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Julia Mayer hat ihr Glück längst gefunden. Es liegt am Einkehrhof Poggau im Mostviertel. Denn dort kann sie tun, was sie am besten kann und was sie immer schon tun wollte: Bäuerin sein mit Leib und Seele.
Regionalität und Dankbarkeit gegenüber der Natur
Bäuerin mit Leib und Seele
Was das Leben am Land betrifft, steht Julia Mayer mit beiden Beinen fest am Boden der Tatsachen. Arbeitsstunden, die zählt hier keiner. Muss auch niemand. Denn am Ende des Tages zählt nicht die investierte Zeit, sondern die daraus resultierende Wertschöpfung. „Ich glaube, den Menschen muss klar werden, dass wir Bauern unsere Tiere nicht aus dem Grund halten, weil die Nachfrage nach Fleisch in den Supermärkten groß ist. Nein. Wir machen unseren Job aus Dankbarkeit der Natur gegenüber. Jeder Landwirt sollte so denken und diesen Ansatz möchte ich meinen Gästen weitervermitteln. Wenn jeder mit seinen Grundnahrungsmitteln sorgsam umgeht, regionale Produkte erwirbt und der überbordenden Konsumgesellschaft wacker die Stirn bietet, dann haben wir letztlich alle genug zum Leben und Überleben.“ Klare Ansage, klare Botschaft. Von einer Frau, die weiß, was sie will. Immer schon wusste.
Generationenwechsel am Einkehrhof
Julias Herz schlug von Kindesbeinen an für die Landwirtschaft. Am Hof ihrer Eltern bekam sie von ihnen gemeinsam mit den zehn Geschwistern das erste Grundverständnis für den Umgang mit den wertvollen Ressourcen der Natur in die Wiege gelegt. Der Weg führte zunächst in den Einzelhandel, später war sie für den Maschinenring sowie als Betriebs- und Dorfhelferin für das Land Niederösterreich tätig. „Ich war immer schon der Typ Mensch, der arbeiten muss. Eines Tages lernte ich dann Franz, meinen Mann, kennen und lieben.“ Die Entscheidung fiel schnell, gemeinsam wollte man den Hof seiner Eltern übernehmen und das Erbe mit Stolz und Ehrfurcht weiterführen. 2013 war es soweit, die alte Generation lies der jungen den Vortritt. „Das Hauptaugenmerk im Betrieb liegt einerseits auf unserer Schafzucht mit der Lämmermast und zusätzlich auf der Vermietung unserer drei Ferienwohnungen.“
Schwärmende Leidenschaft
110 Mutterschafe mit ihrem Nachwuchs grasen auf den Wiesen rund um den Hof, zudem sorgen Ponys, Esel, Ziegen, Hasen, Katzen, Enten und Schweine dafür, dass die Arbeit nicht so schnell ausgeht. Und natürlich die Carnica-Bienen, einer ganz besonderen Leidenschaft von Julia. „Ich bin mit Leib und Seele Bäuerin und Jungimkerin und will mit niemanden tauschen. Ich kann gemeinsam mit meinem Mann arbeiten, zusehen, wie meine Kinder groß werden und jeden Tag aufs Neue erleben, was die Natur imstande ist, zu geben. Wenn man sie lässt.“
Sehen, wie die Blume wächst, wie ein Lamm das Licht der Welt erblickt. Hören, wie laut das Rauschen eines Sommerregens sein kann. Spüren, wie kaltes Bachwasser Körper und Geist erfrischt. All das will Julia ihren Gästen mitgeben. Groß wie Klein, Jung wie Alt. Ein Konzept, das funktioniert: „Viele unserer Gäste buchen bei der Heimreise schon für das nächste Jahr. Die Kinder können sich am Hof frei bewegen, wir liegen abseits von viel befahrenen Straßen.“ Da stürmen kleine Füße frühmorgens voller Tatendrang zur Tür hinaus und wandern abends müde und hungrig wieder herein. Schmutzig zwar, aber dafür mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es sind diese Glücksmomente, die die Gäste immer wiederkehren lassen. Und deren Mundpropaganda weithin gehört wird. „Wir hatten schon Familien aus Jerusalem, Pennsylvania und Dubai bei uns.“ Und daraus entstehen dann Geschichten, wie sie nur das Leben selbst schreiben kann: „Da stand das arabische Mädchen schließlich vor unseren Kindern und verstand nicht, warum diese in einer Sandkiste spielen wollten. Und umgekehrt war die Verwunderung groß, warum das satte Grün der heimischen Landschaft so großes Erstaunen bei den Besuchern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hervorrief.“
Wo das Glück anfängt und wie man es findet
Wenn die große weite Welt den Weg also auf den Einkehrhof findet, warum dann noch in die Ferne schweifen? Julia hat ihre Antwort darauf längst gefunden: „Ich war am Meer, ich war in Amerika. Es war toll das alles zu sehen, aber ich bin immer wieder gerne heimgefahren. Jeder strebt heutzutage ständig nach mehr, aber das eigentliche Glück fängt mit dem an, was man bereits hat. Das ist es, was für mich zählt. Natürlich gibt es schwierige Zeiten, wir könnten von der Schafzucht alleine auch nicht überleben. Aber wenn ich am Ende des Tages mit dem, was ich tue, glücklich bin, habe ich doch alles richtig gemacht. Und diese Chance, mich darin verwirklichen zu können, sehe ich vielmehr als Ehre, denn als Bürde.“