Es werd vorbei gian
Die Tiroler Vermieterinnen und Vermieter leiden ganz besonders unter der Pandemie. Es ist nicht nur die Angst vor der Ansteckung, sondern auch die Berichterstattung , die das gesamte Bundesland pauschal in ein schlechtes Licht rückt.
Hofgeschichten aus einem etwas anderen Winter
Was für ein Winter: Schnee, Sonnenschein … und Lockdown. Gastgeber vermissen ihre Gäste! Wie haben die bäuerlichen Vermieterinnen und Vermieter eigentlich die letzten Monate verbracht?
Urlaub am Bauernhof-Betriebe zeigen sich persönlich.
Eine Serie quer durch die Bundesländer von Elisabeth Freundlinger
Die Tiroler Vermieterinnen und Vermieter leiden ganz besonders unter der Pandemie. Es ist nicht nur die Angst vor der Ansteckung, sondern auch die Berichterstattung , die das gesamte Bundesland pauschal in ein schlechtes Licht rückt. „Des tuat wirklich weh“, sagt Andrea Lechleitner, Bäuerin vom Tobadillerhof im Pitztal. „Das Jahr 2020 war wirklich herausfordernd. Statt aufeinander zuzugehen, mussten wir Abstand halten, statt uns zu treffen, mussten wir uns mit Telefonieren begnügen. Dazu kam noch die Krankheit meines Mannes, FSME. Ein Bauer aus Leidenschaft, so kann man Hubert beschreiben. Nach einem halben Jahr, davon 24 Wochen lang in Krankenhäusern und Anschlussheilverfahren, ist Hubert zum Glück zurück in seinem Bauer-Sein.“
Flexibilität und Einsatz war mehr denn je am Tobadillerhof gefragt. „Dennoch kann ich dem vergangenen Jahr auch Positives abgewinnen. Die Großfamilie ist noch näher zusammengerückt. Freundschaften bewährten sich … ein paar muntere Kälber wurden geboren. Mittendrin zu stehen hat mir tiefere Einblicke gegeben und die Kraft dafür, was so ein Bauernhof 365 Tage im Jahr von einem abverlangt“, fährt die Bäuerin fort.
Der Lockdown ist hart. „Natürlich hofft man immer, dass es nicht gar so schlimm wird.“ Leider war es das dann aber. „Es ist ja nicht nur das Geld, das fehlt“, sagt Andrea, die mit Leidenschaft vermietet. „Ich mag den Umgang mit den Gästen einfach. Sie fehlen mir.“
Eine Gastgeberin mit Leib und Seele
Am Tobadillerhof wurde schon vermietet, als Andrea 1993 hierher eingeheiratet hat. Der Hof ist eines der Gründungsmitglieder von Urlaub am Bauernhof. „Das hat damals die Schwiegermutter gemacht. Für mich war es bald klar, dass ich das auch will. Der Aufgabenbereich ist dann irgendwie zu mir herübergeschwappt“, lacht Andrea, die sich noch ganz genau an eines ihrer ersten Weihnachtsfeste am Hof als Gastgeberin erinnern kann. Es lief ganz anders ab als geplant. „Ja, das waren Franzosen. Dass die Gäste mit uns Heilig Abend feiern wollten, hab‘ ich erst gemerkt, als es soweit war. Mein Französisch ist sehr schlecht, das Englisch der Gäste war noch schlechter. So hab‘ ich eben für uns alle gekocht. Aber es hat Spaß gemacht.“
Seitdem hat der gemeinsam Heilige Abend mit den Gästen Tradition. In einer der beiden Ferienwohnungen sind jedes Jahr Stammgäste untergebracht, die andere Wohnung ist meist variabel besetzt. „Ich hab‘ mir‘s halt angewöhnt, für die Gäste mitzukochen. Zuerst gehen wir alle miteinander in die Familienmette, dann in den Stall, und nachher sitzen wir beieinander und essen. Nur für die Bescherung sind die Familien unter sich.“
Ein stilles Weihnachtsfest
Das war dann heuer wohl anders. „Heuer war seit vielen Jahren unser erstes Weihnachten ohne Gäste“, erzählt Andrea. „Komisch war das. So ruhig. Keine Gästekinder, die im Stall Fragen stellen. Aber …“
Aber? „Es war zur Abwechslung, ehrlich gesagt, auch einmal ganz schön. Wir sind eine große Familie – wir haben vier Kinder, zwei Enkelkinder, mein Mann hat neun Geschwister, die alle gerne ihre Mama am Hof besuchen kommen – und wir hatten Zeit füreinander. Wir haben einen Plan erstellt, wer wann auf Besuch kommt, das hat sehr gut funktioniert und war dann sehr harmonisch. Doch jetzt … Wenn ich aus dem Fenster schau und es ist so prächtig draußen, so ein herrlicher Winter – die Sonne scheint, alles voller Schnee – dann tut‘s richtig weh, dass ich das nicht mit den Gästen teilen kann. Ich stelle immer wieder Bilder auf Facebook oder Instagram, aber ich weiß gar nicht, was ich alles fotografieren soll. Ich möchte unseren Gästen so gern zeigen, wie schön‘s da grad ist und ihnen sagen: Hallo, es gibt uns noch!“
Viecher kennen kein Corona
Auch ohne Gäste werkeln Andrea und Ehemann Hubert den ganzen Tag. „Viecher kennen kein Corona“, meint die prämierte Grauvieh-Züchterin, die sich außerdem in der Pitztaler Direktvermarktung engagiert. „Anfangs haben wir mit unseren Produkten Großküchen beliefert, später auch Haushalte. Corona hat viele Leute zum Umdenken gebracht, sie kaufen nun bewusster und regional. Man ernährt sich gesünder.“
Das Wertebewusstsein ist auch in der Vermietung spürbar, was dem ruhigen Pitztal sicher entgegenkommt.
Zukunftspläne
Die unfreiwillige Ruhe wurde bei den Lechleitners auch genützt, um Zukunftspläne zu schmieden. Sohn Christoph, Jahrgang 96, wird bald den Hof übernehmen. Für die vielen Vorbereitungen, die so eine Entscheidung braucht, war der Lockdown nicht unpraktisch – abgesehen davon, dass Behördengänge jetzt komplizierter vonstatten gehen als sonst. –
Wird es auch in Zukunft Gäste am Tobadillerhof geben? „Ja freilich. Ich bin noch nicht so alt und kann noch eine gute Weile weiterwerkeln. Und wer weiß, wie sich Christophs Privatleben entwickelt … da schauen wir einfach, was kommt.“
Zuversicht und Optimismus sind Andreas Motto. „Wir lassen uns durch die momentane Situation nicht zermürben. Was da passiert, das passt uns nicht und das brauchen wir nicht. Doch was soll’s, man muss durchhalten und darf die Motivation nicht verlieren. Mein Vater hat immer gesagt: Es wird immer Tag und Nacht! Irgendwie geht es IMMER. Und ich ergänze: Mach das, was du kannst, dort, wo du bist, mit dem, was du hast. – Ich denk mir, es trifft andere noch viel härter als uns. Wir haben es hier so schön und wir werden (bald) schon wieder Gäste am Hof haben, ganz sicher! Mit Mut, Durchhaltewillen, Zufriedenheit einer großen Portion Glück und Gesundheit werden wir das angebrochene Jahr 2021 mit all seinen neuen Herausforderungen gut meistern.“